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Bevor wir beginnen, lesen Sie bitte die folgende Kurzgeschichte:


Die Sonne hatte ihn sehr stark geblendet, doch waren Rothenbaums Gedanken unermüdlich zu dem Haus am Stadtrand gewandert. Die Kinder würden dort ganz bestimmt herrlich spielen können, da war er sich absolut sicher, und auch er würde einen heimeligen Ort auch zum Müde-Sein haben. Nach Hause kommen können, all die anstrengenden Schicksale vergessen, Tod, Krankheit und Verderbnis einfach draußen lassen können. Manchmal hasste er seinen Beruf dafür, dass er so viel Tote und Kranke sehen musste. Hoffentlich gab es keine Komplikationen bei der Geburt des Kleinen. Wie viele Kranke und Tote er schon gesehen hatte. Aber eine Geburt, wie sie seiner Frau jetzt bevorstand, versetzte ihn immer noch in Staunen, ließ ihn erschauern. Was für ein Wunder: Wie unter Blut und Schweiß und Tränen immer wieder ein neues Kind geboren wurde, wie aus scheinbar unerträglichen und nicht enden wollenden Schmerzen ewige Liebe wurde.

Ein langer Schatten hatte sich über die rastlose, heiße Sonne gelegt, aber er, Rothenbaum, hatte die ganze Zeit überhaupt nicht darauf geachtet. Seine Gedanken waren zu seinem Kollegen Kerner zurückgeeilt und voraus zu seiner Rede, die er auswendig vortragen konnte, so sehr hatte er daran gefeilt, sich Satz für Satz zurecht gelegt, mit denen er den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen wollte. Immer wieder hatte er den Text memoriert, damit er ihn nicht ablesen musste. Trotzdem hatte er sich für einen ganz kurzen Moment umgedreht, nur um sich ein einziges Mal zu vergewissern, dass das sauber abgetippte Manuskript noch auf dem linken Rücksitz lag. Als er sich einen kurzen Moment später wieder der Straße zugewandt hatte, war der Schatten schon deutlich größer geworden, ganz nah war er auf einmal gekommen, aber jetzt, da er ihn dann endlich bemerkte, war es schon viel zu spät, um noch zu bremsen. Er spürte deutlich den harten Aufprall, einen ebenso harten Schlag auf den Kopf, spürte, wie er sich langsam der Ohnmacht näherte. „Merkwürdig, es tut mir gar nicht weh“, war sein letzter Gedanke noch gewesen, dann hatte es sich angefühlt, als hätte sich sein Hinterkopf geöffnet und als würde ihm sein Hirn herausgezogen. Ich bin gar nicht tot, ich gehe nur fort, war sein letzter Gedanke, den er dachte, bevor er das Bewusstsein für eine Weile vollständig verlor.

Zuerst sah er ihre Tränen, dann das lange blonde Haar, das ihr wirr ins schmale Gesicht hing. Sie weinte. Ihm fiel auf, dass er atmete und dass er seinen Körper spüren konnte. Sein Kopf schmerzte ihn sehr. Sie sah ihn an, als ob sie ihn nicht glauben könne. Das Haar hing ihr ins Gesicht. Sie nahm seine Hand, legte sie sich auf ihren Leib. “Woher kommen sie denn nur?“, fragte er sie. Sie legte sich sachte neben ihn, zog langsam und umständlich das Ultraschallbild aus der Tasche. „Was für ein Unsinn“, sagte er laut und heftig und schob die Aufnahme beiseite. Er zeigte ihr gar nicht, dass er überhaupt nichts fühlte, versuchte sich einfach nur zu erinnern, was er damals gespürt hatte, damals, in jenem Moment, als sie dieses Kind, das bald zu ihnen gehören würde, gezeugt hatten. Sie bauten kuerzenbereits ein Haus für ihre Kinder. Wie eine großartige Befreiung war es gewesen, von der schweren Last, endlich zu sein. Wie ein unbedingtes und nicht aufzuhaltendes Hinauswollen aus den engen Grenzen des eigenen Körpers in einem kurzen Moment tiefster und leidenschaftlicher Leiblichkeit. Und doch habe ich damals, in jenem Moment, da wir das Kind zeugten, meinen Körper nicht wirklich verlassen, dachte Rothenbaum erstaunt. Sah sie an und spürte eine fast verblasste, kaum noch merkbare Erinnerung an die alte Zärtlichkeit, die er für sie gehegt hatte, spürte, dass sie es doch schließlich gewesen war, die ihm auf ihre sanfte Weise eine schattenlose Weite geschenkt hatte. Wie unglaublich dumm er doch gewesen war. Und wo endete denn nun sein jämmerliches Leben, seine eigene Wahrnehmung, nun, da er endlich wusste, dass er nicht nur einen Körper hatte, sondern ein Leib war, dessen enge Grenzen über die eigene Körperlichkeit hinausreichten? Er umarmte sie noch fester. „Ich war ja nicht tot, ich war ja nur fort“, murmelte er leise, doch sie schlief bereits tief und fest und hörte ihn nicht.


Sicher ist Ihnen beim Lesen bereits aufgefallen, dass die Geschichte viele überflüssige Füllwörter enthält und manche Informationen doppelt gegeben werden.

In ihrer bisherigen Form umfasst die Geschichte 685 Wörter. Nun stellen Sie sich vor, Sie wären der Autor oder die Autorin dieser kurzen Erzählung und wollten damit an einem Wettbewerb teilnehmen. Zu den Wettbewerbsbedingungen gehört, dass Ihr Beitrag nicht mehr als 400 Wörter umfasst. Ihre Aufgabe besteht jetzt darin, die Geschichte zu kürzen, und zwar so stark, dass Sie die starr gesetzte Grenze von 400 Wörtern nicht überschreiten. Dabei dürfen aber keine wesentlichen Informationen verloren gehen, auch darf an der Logik, dem Aufbau und dem Aussagegehalt der Geschichte nichts verändert werden.

Das Kürzen der eigenen Texte gehört zu den schwierigsten Aufgaben, vor denen ein Autor zunächst steht. Doch es gehört ebenfalls zu den wichtigsten Aufgaben, denen Sie sich stellen müssen. Was anfangs eine gewisse Panik auslösen oder auch schmerzlich empfunden werden kann, wandelt sich aber spätestens dann in ein freudiges Gefühl, wenn Sie bemerken, wie sehr Ihre eigenen Erzählungen und Geschichten dadurch gewinnen. Die Sprache wirkt präziser, die Struktur klarer, überflüssige oder wiederholte Angaben entfallen.


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