„Story tells, Story sells. Wie dramatische Geschichten funktionieren“ von Edgar V. Cossart
Über die Dramaturgie, das Plotten und Entwickeln von literarischen Geschichten sind bereits jede Menge Ratgeber verfasst worden. Auch jede Menge sehr guter Ratgeber. In diesem Bereich etwas Neues zu veröffentlichen, was die Anfänger bei ihren ersten Schritten unterstützt und professionelle Autoren in die Tiefen der Materie führt, ist wahrlich nicht einfach. Bietet das vorliegende Buch einen neuen Ansatz bei der Thematik? Ist es hilfreich für Autoren und solche, die es werden wollen?
Dieser Frage wollen wir auf den Grund gehen.
Bereits das Cover zeigt deutlich: Ja, in diesem Buch wird ein neuer Weg eingeschlagen, zeigt das Bild doch eine mathematisch anmutende Zeitachse mit Punkten und Kreisen – als müsse man mindestens Integralrechnung und Funktionsanalyse beherrschen, um mit diesem Ratgeber klar zu kommen. Schon flimmern einem die Warnungen des Mathematiklehrers aus der Schulzeit durch den Sinn: Das alles lernt ihr nicht für den Unterricht, sondern für das Leben. An dieser Stelle eine Entwarnung. Kenntnisse in theoretischer Mathematik werden für das Verständnis dieses Buches nicht benötigt. Doch was hat es mit der Zeichnung auf sich?
„Einfach sieht anders aus“, schreibt der Autor im Vorwort, „nicht so ein Geschmiere, wie von einem zerstreuten Professor während unverständlicher Erklärungen an die Tafel skizziert. […] Die Grafik, das Gekritzel, ist tatsächlich kein sichtbarer Beweis für meine Zerstreutheit, sie ist das Endprodukt einer langen Entwicklung. Sie enthält alles, was Sie über das Geschichtenerzählen wissen müssen.“
Beim genauen Hinsehen entdeckt man in der Grafik tatsächlich die wichtigen Plotelemente wie den ersten und den zweiten Plotpunkt, den Midpoint, den Höhepunkt, die drei Akte des Drei-Akt-Models und und und. Der Autor versucht hier einen sehr guten Ansatz zu finden, nicht umsonst wird behauptet: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Eine Grafik, die alles für eine spannende Handlungsentwicklung beinhaltet, klingt zunächst traumhaft. Doch dieses Bild präsentiert gleichzeitig auch sein größtes Problem, das dem Autor wohl bewusst war: Es ist nicht intuitiv, nicht so leicht zu merken – und wirkt tatsächlich wie das Geschmiere eines zerstreuten Professors.
Doch das ist nicht das einzige Problem dieses Ratgebers. Es zieht sich wie ein roter Faden hindurch: Im Großen und Ganzen sind die Thesen des Autors durchaus richtig – aber alles wirkt irgendwie schwammig, nicht richtig auf den Punkt gebracht. Den Konflikt definiert Edgar v. Cossart auf folgende Weise: „Ein wahrer Konflikt ist der, der das, was schön ist, in die Länge zu ziehen vermag. Wer denkt da nicht zuerst an Sex?“ Ich nicht. Vor allem dachte ich bei diesen Zeilen daran, dass es den angehenden Autoren sehr schwerfällt, genau zu sagen, was ein Konflikt ist. Und diese mehr als dürftige Beschreibung würde nur den wenigsten von ihnen weiterhelfen.
Ähnlich nebulös wirkt die Zusammenfassung des Autors zum ersten Akt des Drei-Akt-Models: „Was ist die Ausgangssituation, wie ist die Stimmung, wo spielt die Geschichte und wann, was ist der Held für ein Typ, wer lebt sonst noch in der Geschichte? Der Held führt ein mehr oder weniger ausgeglichenes Leben“. Ja, da stimmt schon – am Anfang sollten der Held und sein Alltag dem Leser vorgestellt werden. Viele angehende Autoren tun das zu bereitwillig und schildern seitenlang den Gang des Protagonisten zum Bäcker und die schwierige Wahl der Frühstücksbrötchen. Folgt man den Schilderungen von Edgar v. Cossart, so macht man damit nichts falsch. Doch der erste Akt ist so viel mehr als nur der Alltag des Helden! Er hat vor allem die Aufgabe, den Leser zu fesseln, ihn für den Roman zu begeistern – das kann man nur schwer mit einem Gang zum Lieblingsbäcker bewerkstelligen.
Abschließend lässt sich sagen, dass dieser Ratgeber durchaus einen interessanten Ansatz hat, doch leider an der Umsetzung scheitert. Mit wirklich guten Ratgebern zu diesem Thema kann dieses Buch schlicht und ergreifend nicht mithalten.
Olga A. Krouk